Reintegration

Langsam habe ich mich wieder an die Kälte und den Schweizer Alltag gewöhnt, nicht zu letzt, weil mein Abschlusspraktikum in einer 3./4. Klasse ansteht und ich mich darauf gleichermassen freue, wie ich mich davor fürchte, 5 Wochen am Stück alle Fächer zu unterrichten. Irgendwie fiel mir die Vorbereitung dieses Praktis schwerer als sonst, weil ich bisher meistens in Kindergärten gearbeitet hatte und ich einfach nicht daran gewohnt bin, alle Fächer einzeln vorzubereiten. Mir fehlt die Geschichte, die sich durch alle Aktivitäten durchzieht… Es fühlt sich merkwürdig an, Mathe getrennt von Deutsch zu behandeln und kein zum NMM-Thema passendes   Kunstprojekt zu machen. Vielleicht liegt mir Kindergarten ja einfach mehr, vielleicht ist es aber auch nur mangelnde Erfahrung auf dieser Altersstufe. Was mich auf jeden Fall an der Planung gehindert hat, ist mein mangelndes Interesse für die Jungsteinzeit. Wie soll ich bitte 5 Wochen übers Beerensammeln und Feuermachen reden? Ich hätte viel lieber etwas aktuelles, wichtiges mit den Kindern behandelt, statt ein angefangenes Thema auslaufen zu lassen… Und Mathe! Wie soll man das 1×1 nicht trocken rüberbringen? Was sicher toll wird, sind die Gestaltungs- und Deutschprojekte, denn die haben mir beim „didaktischen Selbstversuch“ wirklich selber Spass gemacht.

image

1x1- Memory-Spiel, wird im Zug zugeschnitten

Und die beste aller Nachrichten war, dass ich nicht Sport unterrichten muss. Juhu! Wenn ich mich zu einer Sache nicht im Stande fühle, dann ist das Freude an Ballspielen zu vermitteln. Ballspiele fand ich schon immer doof, genau so wie Mannschaftsspiele und sämtliche andere Sportdisziplinen, bei denen andere Menschen involviert sind. Ausser in Yoga- und Pilatesklassen, aber da stören mich die anderen Teilnehmer nicht, weil ja jeder seine eigene Matte hat.

Meine Reintegration scheint also erfolgreich zu verlaufen. Ausserdem stehen meine Chancen auf eine Teilzeit-Stellvertretung in einem Kindergarten ziemlich gut, was mir nicht nur etwas extra Taschengeld, sondern vor allem auch zusätzliche Erfahrungen bringen wird.

xoxo Mademoiselle

Die Vorzüge meines neuen alten Lebens

Zugegeben, ich hatte etwas Mühe, mich wieder einzuleben, doch mein Zuhause hat mehr zu bieten als nur graues, kaltes, furchtbares Wetter und deshalb widme ich diesen Blogeintrag den Dingen, die ich in meinem Studio in Nizza vermisst hatte.

1. Meine Familie

image

4 Boxen vertrauenswürdiger "Schweizer" Döner

2. Der Backofen und die Möglichkeit, Kekse zu backen

image

Erdnussbutter-Karamell-Cookies

3. Sushi selber machen

image

Selbstgemachtes Sushi bei Anna

4. Der Fernseher (Instrument zur Entspannung und Verblödung)

image

Assi-TV zur Entspannung

5. Die Möglichkeit, mein Chaos auf mehrere Räume auszubreiten

image

Erstverschlimmerung bei Aufräumversuch

Und dann gibt es noch die Dinge, die ich an meiner Heimat generell vemisst habe…

6. Komfortable Zugfahrten in pünktlichen Zügen, gratis Printnedien in meiner Erstsprache und Bretzelkönig-Bretzel

image

7. Bern und lädele unter den Lauben

image

Das Bundeshaus in meiner Nicht-Lieblingsjahreszeit

8. Müllfreie-Strassen

image

Nicht-müllfreie Strassen in Nizza

9. Schweizer Essen (in laktosefreier Ausführung natürlich)

image

10. Professionalität, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft bei (Verkaufs-) Personal, Service und öffentlichen Diensten
(Lässt sich schwer fotografisch festhalten)

Mit diesen Dingen vor Augen, fällt es mir auch ein Bisschen leichter, mich trotz des Wetters und der Kälte wieder einzuleben.

xoxo Mademoiselle

Stage d’Observation: Meine Woche in einer französischen Schule

In der zweitletzten Woche meines Austauschsemester erhielt ich Einblicke ins französische Schulwesen.

Klassenzimmer "école maternelle moyenne section" = Kindergaten

Klassenzimmer „école maternelle moyenne section“ = Kindergaten

Teil unseres Austauschsemesters war ja auch ein „Praktikum“, bei dem wir während einer Woche in einer französischen Klasse sitzen mussten und den Unterricht beobachten sowie mit dem vergleichen, was wir über dir „neue Didaktik“ gelernt hatten, während dem ersten Semester. Um ehrlich zu sein: ich stellte es mir wahnsinnig langweilig vor. Ramona und ich hatten in der Schweiz beide schon mehrere Praktika absolviert und auch schon öfters selber unterrichtet, weshalb wir stark bezweifelten, dass wir von einer Woche zuschauen viel profitieren konnten. Andererseits war ich auch gespannt darauf, wie echte Lehrer hier unterrichteten, da das Studium ja schon recht anders ist. Was einem als erstes auffällt, ist dass die Kinder hier viel jünger sind. Die kleinsten sind hier erst 3 Jahre alt und kommen trotzdem schon jeden Tag um 8:30 Uhr in die Schule. Nach dem neuen Stundenplan, der seit diesem Schuljahr gilt, haben sowieso alle Kinder gleich lang Schule: Jeden Tag von 8:30 – 11:30 und 13:30 – 15:30. Ausser Mittwochs, da haben sie nur am Morgen Schule. Da die meisten Eltern aber eh Vollzeit arbeiten, sind die Kinder dann Nachmittags halt in irgendwelchen betreuten Aktivitäten, die von der Schule organisiert sind. Fast alle Kinder essen mittags in der Kantine der Schule und besuchen nach 15:30 Uhr noch Aktivitäten wie Schachunterricht oder Instrumente – auch in der Schule. Laut der Directrice, gehen die meisten Kinder erst nach 17:45 nach Hause, wenn die Eltern von der Arbeit kommen. Da die Kinder aber schon von klein auf daran gewöhnt sind, so viel Zeit auswärts zu verbringen, halten sie das gut durch.

Ich wurde in einer Classe Maternelle eingeteilt, dort sind die Kinder 4- bis 5-jährig. Die Altersstufe ist vergleichbar mit unserem Kindergarten, obwohl hier in Frankreich die Kinder junger und die Aktivitäten schon mehr schul-ähnlich sind. Als ich das Zimmer betrat, fiel mir als erstes auf, wie viele Tische und Stühle es hatte im Verhältnis zu den „Spielecken“, die eigentlich gar keine waren. Daran, dass der „Stuhlkreis“ (der hier aus Bänken bestand und eigentlich ein Rechteck war, aber wenn ich sagen würde „Bankrechteck“ würde das wohl kaum einer verstehen…) um die Wandtafel war, zeigt auch deutlich, wie viel näher les Maternelles an der Schule als am Kindergarten sind.

Wandtafel als Zentrum des Stuhlkreises

Wandtafel als Zentrum des Stuhlkreises

Während im Kindergarten in der Schweiz andere Kompetenzen im Fokus des Unterrichtes stehen, wird „Graphisme“ und die Vorbereitung auf das Erlernen der Schrift sowie zählen hier bereits gross geschrieben. Ausserdem machen sie übermässig viele Ausmalübungen, was mir als Gestaltungs liebende Person natürlich besonders auf den Magen schlägt. So ist es auch ganz normal, dass jedes Kind ein genau gleiches Zebra malt und anschliessend 22 gleiche Bilder an der Wand hängen. (Kreativität ist ja sooo überbewertet) Als ich in der Klasse war, mussten sie gerade ein Titelbild machen und mit Wattestäbchen Schneeflocken aus weisser Farbe auf ein blaues Blatt tupfen. Aber nein, die Kinder konnten nicht so viele Schneeflocken machen, wie sie wollten! Nein, die Maitresse nahm einem Kind, dass gerade langsam, aber regelmässig vor sich hintüpflete das Wattestäbchen weg und tupfte einfach auf dem Blatt herum, wo sie fand, dass es noch zu wenig hatte. Wer macht denn bitte so etwas?! Lasst den Kindern doch bitte den einen, winzig kleinen gestalterischen Freiraum, ihre Tüpfchen-Schneeflocken dort zu platzieren, wo sie sie gerne hätte! Ja, ich habe innerlich ein Bisschen geweint.

À porpos Weinen: Ja, die 3-Jährigen weinen am Anfang, wenn ihre Mütter sie zum ersten Mal verlassen. Ich stelle mir das furchtbar vor, so ein Klassenzimmer voller schreiender, heulender, verzweifelter 3-jähriger, die ihre Mami wollen. Die Lehrpersonen auf der Maternelle-Stufe haben dafür aber immer noch eine Assistentin. Das ist auch dringend nötig, denn nicht alle 3-jährigen können schon alleine aufs WC und anscheinend gibt es sogar solche, die sich vor lauter weinen übergeben müssen. Klingt toll, der Job als Assistentin, ich weiss. Aber als Lehrperson stelle ich mir das schon ziemlich toll vor, so eine Assistentin zu haben. Wenn man immer zu zweit ist, kann man auch viel mehr kleine Gruppenprojekte machen. (Oder in dem Fall hier: mit dem Sohn telefonieren, eine rauchen, Praktikantinnen herumführen… während die Assistentin draussen für einen viel kleineren Lohn auf die Kinder aufpasst.) Aber noch einmal zurück zu den weinenden Kindern: Ein Junge aus meiner Praktikumsklasse war erst im Oktober aus England hier her gezogen und hatte noch grosse Mühe, sich an den Schulalltag zu gewöhnen, weil ihm halt Mommy und Daddy fehlten. So stand er ganz traurig auf dem Pausenplatz und ich fragte ihn, was er denn habe. Er sagte: „I want my daddy“ und ich sagte ihm, dass sein Daddy nicht hier sei, aber er sei ja jetzt schon bei den grösseren Kindern (er war in der moyenne section und nicht in der petit section) und dass es sicher bald wieder gehen werde. Und darauf antwortete er mir: „No, I’m only four!“ – Wie recht dieser kleine Junge doch hatte, er war erst vier Jahre alt, er war ganz bestimmt noch kein „grosser Junge“, der von morgens um 8:30 bis nachmittags um 15:30 in der Schule sein sollte. Das machte mich auch ganz traurig. Wenigstens schien er trotz Sprachbarriere eine Freundin gefunden zu haben, denn ein Mädchen hielt fast jeden Tag, während sie draussen spielten, seine Hand.

Toulettes (extrèmement) publiques

Überraschung: Toilettes (extrèmement) publiques

Abschliessend kann ich also sagen, dass ich während dem „Praktikum“ schon einige spannende Einblicke ins französische Schulsystem erhalten habe. Das System ist zwar anders, aber die französischen Kinder sind auch herzig und die französischen Lehrpersonen sind wie diejenigen in der Schweiz, nur viel schlechter bezahlt. Und deshalb war meine Antwort auf die Frage, ob ich denn gerne in Frankreich unterrichten würde, auch stets negativ. Zumindest nicht an der Primarschule.

Je ne suis pas Charlie

Weil hier alle so einen Aufstand darum machen und das jeder zweite schon auf seinem Profilbild oder sonst wo hat, fühle ich mich – als noch in Frankreich wohnhafte Person – irgendwie dazu genötigt, auch zu dem Attentat in Paris Stellung zu nehmen. Der Anschlag hat für so viel Wirbel gesorgt, dass er bereits einen Wikipedia-Eintrag hat: Anschlag auf Charlie Hebdo

Überall liest man jetzt „Je suis Charlie“ und alle sind in Unruhe. Natürlich hat das einer freundlichen Gesinnung gegenüber Moslems nicht gerade beigetragen und so hat es tatsächlich auch in Nizza zwei Angriffe auf Moslems gegeben. Ich finde das völlig daneben. Was haben denn die Moslems hier in Nizza bitte schön mit dem Attentat zu tun!? Natürlich ist es schlimm, was in Paris passiert ist, aber das waren zwei kaltblütige Killer, die nichts mit den normalen Gläubigen dieser Religion zu tun haben. Nicht representativ.  Ich finde auch, dass die Franzosen generell mit dem „Je suis Charlie“ übertreiben. Es ist ein richtiger Hype geworden. Die Schulen hier haben sogar ihre Vorsichtsmassnahmen gegen Anschläge erhöht und die Eltern dürfen nun nicht mehr den Schulhof betreten. Ein Wunder, dass sie uns noch rein liessen, als wir letzte Woche dort Praktikum hatten… Ich meine, wir sind immerhin auch Ausländer.
Ehrlich gesagt fühle ich mich sicher wie eh und je hier in Nizza. Ich fühle mich von den Anschlägen nicht mehr betroffen, als von Kriegen im Iran, Syrien – oder wo auch immer gerade gekriegt wird – weil beides zwar tragisch und traurig, aber auch (mehr oder weniger) weit weg ist. Je ne suis pas Charlie, weil ich mich nicht mit einem Magazin identifizieren will, das solche respektlosen, verletzenden Karikaturen gegen jenste Religionen veröffentlicht. Je ne suis pas Charlie, weil bei dem Attentat noch viele andere Leute ums Leben gekommen sind, deren Namen dabei vergessen gehen. Natürlich ist Pressefreiheit wichtig. Aber ein Attentat auf eine Zeitung wird diese wohl kaum unterbinden können. Eine meiner französischen Mitstudentinnen hat mir gesagt, dass sie jetzt Angst hat. Ich fragte, wieso, die Anschläge seien ja so weit weg gewesen und sie veröffentliche ja auch keine berühmten, islamfeindlichen Karrikaturen… Nein, meinte sie, sie habe Angst davor, dass all diese „Je suis Charlie“-Propaganda zu noch mehr Feindseeligkeit gegenüber den Moslems hier in Nizza führen werde und dass irgend wann auch einer ihrer muslimischen camarades angegriffen werden könnte. Das sagt einiges über die Situation hier.

So genug über Politik, reden wir wieder über mein tolles Leben: ich hatte heute meine Präsentation über mein Dossier Didactique Sciences und es ist eigentlich ganz gut gelaufen. Die Jury hat keine gemeinen Fragen gestellt und die Dozentin will mich nicht durchfallen lassen, schliesslich sollen wir Werbung für einen Austausch in Nizza machen. Geht nach Nizza es ist toll!
Zum Beweis hier ein Paar Bilder von heute:

image

Emilie's Cookies macht auch Muffins délicieuses

image

Der Himmel ist immer noch blau.

Alles geht zu Ende…

Die letzt Woche hier in Nizza hat angefangen und langsam geht definitiv alles zu Ende: Salatsauce, Spaghetti, Margarine, Haushaltspapier, Abwaschmittel, Shampoo, Bodylotion… und saubere Socken. Während ich das hier schreibe, warte ich zum letzten Mal auf meine Wäsche in diesem hässlichen, billigen Waschsalon, der sich scheinbar im Araberviertel befindet, denn ich scheine stets die einzige Weisse zu sein, die hier ihre Wäsche wäscht. Vielleicht bekomme ich deshalb auch immer ungefragt Tipps, wie ich meine Wäsche waschen soll. Dabei kömnte ich gut darauf verzichten, dass fremde Menschen mir mein Zeug aus der Hand nehmen. Und wie man einen Knopf drückt, weiss man auch als Blondine. Ausserdem lasse ich mir nicht gerne von Leuten, die ihrer Wäsche gerade ein Schaumbad gönnen, sagen, dass ich zu wenig Waschmittel nehmen würde… Aber sie sind freundlich. Auf eine sehr aufdringliche Wiese.

image

Die mittlere Maschine ist voll mit Schaum


Weiterlesen

Die Rückkehr (nach Nizza)

Nach einer ruhigen, angenehmen Zugfahrt nach Basel, klappte auch das Check-in reibungslos und nach dem mein Koffer aufgegeben war, traf ich auch schon auf Ramona und ihren Freund. Ich musste also gar nicht – wie erwartet – eine Stunde lang alleine am Flughafen herumsitzen, sondern war bald in Gesellschaft. Der überwältigende Uringeruch auf der Flughafentoilette zeigte mir auch sogleich die Nähe zur französischen Grenze an. Iiiih. Dafür entschädigt wurden wir durch ein grosszügiges Angebot an gratis Heftli am Gate. (Ich habe ja grundsätzlich nichts gegen Psychologie-Magazine auf Französisch, aber dieses Mal waren doch tatsächlich auch Jolie und Shape dabei. Leichte Kost für einen kurzen Flug, das freut mich.) Bevor wir zu den Heftli kamen, mussten wir natürlich durch den Zoll und an diesem Tag schienen sie besonders pingelig zu sein, denn ich musste nicht nur Jacke, Gürtel und Schuhe ausziehen, sondern auch meinen Schal. Was auch immer man in einem Schal heimtückisches verstecken konnte, dass sie nur durch den Scanner entdecken konnten… Den Laptop nahmen sie mir sogar aus der Hülle! Bis wir auf der anderen Seite wieder alles angezogen und eingepackt hatten! Aber wir hatten ja Zeit, so viel Zeit.

Nachdem wir uns eine halbe Stunde lang mit Jolie und Shape die Zeit vertrieben hatten, war endlich Boarding Time und natürlich standen innerhalb von einer Minute alle Leute in einer Schlange. (Wieso eigentlich? Man kann ja auch noch später anstehen, wenn weniger Leute da sind) Wir sind gemütlich sitzen geblieben und haben dann einmal unser Ticket hervorgeholt (sprich: die Easyjet-App auf dem Handy geöffnet) und die Identitätskarte hervorgesucht. Und gesucht. Und gesucht. Und gesucht! Verdammt! Meine Karte war spurlos verschwunden! Ich leerte sämtliche Taschen an meinem Rucksack, meiner Jacke und sogar in den Fake-Taschen meiner Skinny-Jeans schaute ich nach. Nichts. Das war doch unmöglich, schliesslich hatte ich sie am Zoll doch gerade noch gehabt! – Am Zoll? Am Zoll! Meine ID konnte doch nur dort vergessen gegangen sein, schliesslich hatten wir da all unser Bagage verteilt gehabt. Oder?

Die Leute standen Schlange, aber es hatte sich noch nichts bewegt, also würde ich schon genug Zeit haben… oder sollte ich doch rennen? Aah, wieso immer ich?! Also eilte ich zurück zum Zoll und fragte den nächst besten Angestellten auf sämtliche Sprachen, ob hier irgendwo eine ID abgegeben worden sei. Er ignorierte mich. Also ging ich zum nächsten, der mich an einen anderen verwies, weil er anscheinend zu beschäftigt damit war, den Leuten beim durch-den-Metalldetektor-laufen zuzusehen, was ja auch ein anstrengender Beruf sein muss. Egal. Schliesslich fand ich doch noch einen freundlichen Mitarbeiter, der sich sogar an mich erinnerte und bereitwillig anfing, den Stapel Schalen zu untersuchen. Ich hoffte inständig, dass ich meine Identitätskarte in einer dieser Schalen, in die man sein Zeug legen muss, wenn es gescannt wird, vergessen hatte. Ich verzweifelte fast, während er einen 1,50m hohen Stapel seelenruhig Schale für Schale durchsuchte! Erfolglos! 15:58 Uhr, ich stehe ohne ID am Zoll und um 16:00 schliesst das Gate. Der Angestellte geht kurz weg, spricht mit einem Mitarbeiter auf der anderen Seite des Zolls und kommt mit einer blauen Karte zurück. Ich war an einem Punkt, an dem ich irgendeine Schweizer-ID genommen und versucht hätte, damit ins Flugzeug zu gelangen. Zum Glück brauchte er meine eigene. Hach! Erleichterung! Punkt 16:00 rannte ich zurück zum Gate, wo sich die Schlange immer noch nicht vorwärts bewegt hatte. Toll, wozu habe ich mich so gestresst?

Als ich in Nizza meine Wohnung betrat (ja, ich nenne die 10 Quadratmeter „Wohnung“!) hatte ich den zweiten Schock: Alles war durcheinander! Zeug lag auf dem Boden und irgendwie sah es so leer aus (mit „leer“ meine ich, dass vor dem Fenster etwas freier Platz war). – War ich etwa ausgeraubt worden?! – Meine Spiegelreflexkamera lag aber noch auf dem Boden… komisch. Und dann fiel mir wieder ein, in welchem Zustand ich war, als ich mit Fieber im Halbschlaf innerhalb von 30 Minuten meinen Koffer gepackt habe. Ordnung war mir da irgendwie zweitrangig erschienen. Es hatte also nicht ein Einbrecher meine Wohnung verwüstet, sondern mein krankes Ich. Willkommen in meiner Welt. Bevor ich mich ans Aufräumen machte, gingen wir allerdings noch essen.

Da ich mir meine  Lebensmittelvergiftung in einem Indischen Restaurant geholt hatte, fiel indisch und alles was irgendwie Poulet drin hatte schon einmal weg. Es wird wohl noch seeeehr lange dauern, bis ich geschnetzeltem Hühnerfleisch an einer Sauce wieder vertrauen werde… Und so landeten wir einmal mehr bei Planet Sushi. Eigentlich komisch, dass ich mir bei dem vielen Sushi dass wir hier gegessen haben nie eine Magenverstimmung geholt habe, aber bei gekochtem Poulet schon.

Mir geht es auf jeden Fall bestens und ich bin wieder gut in Nizza angekommen. Ich freue mich auf die letzten zwei Wochen und werde das schöne Wetter hier ausgiebig geniessen.

Bis bald…

Endspurt

image

Wetter in Basel vor dem Abflug

So, nun ist es so weit: die Weihnachtsferien in der Schweiz sind vorbei und ich kehre zurück nach Nice. Von meinem Semester sind nur noch 2 Wochen übrig, in denen ich noch alles machen muss, was man in einem Austauschsemester so machen sollte und ich noch nicht erledigt habe. Zum Beispiel einen französischen Film im Kino schauen. Und im Januar noch einmal ins Meer gehen. Und einen Bericht über mein Semester schreiben. Und ganz, ganz viel anderer Papierkram… Zwei Wochen fühlen sich plötzlich viel zu kurz an. Kann bitte jemand kurz die Zeit anhalten?

Während dem Flug wurde das Wetter zunehmend schöner und ich freute mich immer mehr auf meine letzten zwei Wochen. Sooo streng können die ja nicht werden…

image

Flughafen Nizza

Nächste Woche werde ich ein „Stage d’observation“ machen, also ein Ptaktikum bei dem ich nur zuschauen darf. Spannend. Naja, vielleicht doch ein Bisschen, denn schliesslich werde ich da französische Lehrpersonen in Aktion sehen. Unser Praktikumsauftrag? Wir sollen den Unterricht beobachten und mit dem vergleichen, was wir in diesem Semester über die „neue Pädagogik“ gelernt haben. Und das dann am besten auch gleich mit der beobachteten Lehrperson besprechen. Na, die werden sich bestimmt freuen, wenn ihr Unterricht von Erstsemestlern kritisiert wird. Bonne chance!
Im der zweiten Woche muss ich dann nur noch alles Administrative regeln und mein Dossier präsentieren. Glücklicher Weise ist die dazugehörige Prüfung erst am 20. Januar und wir sind dann schon nicht mehr in diesem Land. Ende zweite Woche holen uns nämlich Ramonas Eltern mit dem Büssli ab und wir zügeln zurück in die Schweiz.

Nicht ganz so „Joyeux Noël“

Wegen Abwesenheit und Krankheit fiel bei mir die Weihnachtsstimmung dises Jahr ziemlich aus.
Am Freitagmorgen musste uns die Franz-Lehrerin tatsächlich noch eine Grammatikprüfung reinwürgen. Natürlich war unsere Klasse unvorbereitet und wir repetierten sämtliche Grundlagen noch einmal in der Klasse, bevor wir den Taest dann tatsächlich schreiben durften. Und natürlich hatte Madame Labbe wieder so schwierige (aber dafür bestimmt litterarisch relevante) Texte ausgewählt, dass ich sie trotzt LEO.org’s Hilfe nicht wirklich verstand, worum es daring ging. Und glaubt mir, die Compléments des Sujets zu finden und bestimmen, wenn man einen Satz nicht versteht, ist verdammt schwierig. Dass ich Schüttelfrost und vermutlich Fieber hatte, dürfte mein Resultat auch nicht unbeding verbessert haben. Ich verliess die Klasse direkt nach der Contrôle, weil ich noch etwas schlafen wollte, bevor ich mich an den Flughafen quälen würde. Ganz unpassend zu meinem eigenen Zustand, war das Wetter in Nizza wunderschön: 17℃ und kein Wölkchen am Himmel. Das bemerkte ich auf dem Weg zur Bushaltestelle.
Krank zu fliegen macht keinen Spass, nicht nur weil man am Flughafen ewig warten muss, sondern weil krank zu reisen generell einfach bescheiden ist.

image

Flughafen Nizza

Irgendwie habe ich es dann doch überlebt, ohne mich im Flugzeug oder anderen Verkehrsmitteln zu übergeben. Nach der Landung tauchte mein Koffer zügig auf und wurde auch nicht von jemand anderem gekidnappt. (Der Tag fühlte sich für mich so schrecklich an, dass das eigentlich noch gefehlt hatte)  Mein einziges Highlight wartete bereits im Flughafen Basel auf mich: Anna, die tatsächlich nach einer Frühschicht im KSA den weiten Weg nach Basel auf sich genommen hatte, um mich vom Flughafen abzuholen. Yay, ich musste nicht alleine nach Hause fahren!
Natürlich hatte es am Flughafen eine Tafel, die anzeigte, wann der nächste Bus käme und natürlich kam dann auch ein Bus zur angegebenen Zeit. Im Bus hatte es tatsächlich eine Funktionierende Anzeigetafel, auf der die nächsten Halteorte erkennbar waren. Man musste also nicht schon die Stationen auswendig können oder aus dem Fenster starren und die Bushaltestellen zu lesen versuchen. (In was für einem fortschrittlichen Land ich doch gelandet war!) Vom Bus reichte es uns perfekt aufs Gleis für den Zug nach Aarau, den wir ohne Probleme idank der grossen, übersichtlichen, funktionierenden Anzeigetafel des Bahnhofs. Bienvenue en Suisse! Sogar in Aarau mussten wir nicht eine halbe Stunde warten, sondern konnten direkt mit dem Bähnli Richtung Zuhause. Das war auch gut so, denn ich war wirklich am Ende meiner Kräfte.
Meine Mutter holte uns vom Bahnhof ab und brachte Anna heim. Es regnete… Was für eine Überraschung. Ich war wieder zu Hause.

In meiner Vorstellung wäre ich am Freitagabend gutgelaunt nach Hause gekommen und hätte gleich einmal mit Zeig machen angefangen, damit ich am Samstagmorgen Mailänderli in Eiffelturmform hätte produzieren können. Vielleicht hätte ich auch noch ein Lebkuchenhäuschen gezaubert. Danach hätte ich mich ans organisieren der Weihnachtsfeiern gemacht, meiner Mutter geholfen Weihnachtskärtchen zu schreiben, den Baum geschmückt und so wäre ich bis Montag in Weichnachtshöchstimmung gewesen.
Erstens kommts anders und zweitens als man denkt.
Ich verbrachte das Wochenende grösstenteils im Bett und Montag, Dienstag auch gleich. Am Dienstagabend ging es mir dann endlich so schlecht, dass wir ins Spital gingen, wo mich ein netter Österreicher an den Tropf hängte. Gegen meine Dehydrierung und eigentlich auch gegen meinen Willen. Aber er meinte, wenn er eh Blut nehmen müsste, ginge es dem gleichen Stich zu. Na gut.

image

Meine erste Infusion (und ich habe nicht geweint)

Natürlich hat er erst nicht getroffen und es hat unnötig weh getan. Bei jemandem der ausgetrocknet ist wie Ötzi ist es aber vermutlich auch viel schwerer eine Vene zu treffen. Bei den beiden Junkies, die von der Polizei bewacht in den beiden Nebenzimmern untersucht wurden, war es aber angeblich noch schwerer, eine benutzbare Vene zu finden. Das spürte ich vor allem daran, dass es etwa zwei Stunden ging, bis sie meine Blutprobe untersucht hatten und mir die hübsche, junge Assistenzärztin mit russischem Akzent endlich ein Antibiotikum verschrieb. Sie bestätigte, dass es sich wohl um einen Keim aus dem Essen handeln müsse und ich bereute, dass ich für unser Anschlussessen dieses Indische Restaurant vorgeschlagen hatte. Wären wir doch Crêpes essen gegangen, wie Ramona und ich das ursprünglich vorhatten…

Am 24. Dezember ging es mir dank Buscopan und Antibiotika wieder einigermassen so gut, dass ich etwas essen konnte. Was schon wichtig ist, schliesslich ist das einer der Hauptbestandteile von Weihnachten. Mein Brüderchen half mir noch den Baum zu schmücken und irgendwie war dann doch Weihnachten.

Die Familienfeiern wurden aufs Wochende verschoben und ich hoffe, bis dann bin ich wieder „einsatzfähig“. Solange ich kein „Chicken Kashimiri“ mehr essen muss…

Ich hoffe, bei euch läuft Weihnachten etwas besinnlicher ab.
Joyeuses Fêtes!